Experten-Kolumne |
13.05.2016 10:33:15
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Das neue China: Im Büro statt in der Fabrik
Kolumne

Der Blick auf die sinkenden Wachstumsraten der chinesischen Wirtschaft greift zu kurz. Das Land hat bereits wichtige Schritte hin zu einer höherwertigen Wirtschaft gemeistert.
Chinas Wirtschaft schwächt sich ab. Die Konjunkturdaten verunsichern, und die Aktienmärkte sind nach wie vor volatil. Kein Wunder, machen sich die Investoren Sorgen. Doch die Verlangsamung des Wirtschaftswachstums in China kann auch als gutes Zeichen gewertet werden, denn die notwendige Aufwertung der Wirtschaft ist mit den enorm hohen Wachstumsraten früherer Jahre nicht kompatibel.
Die bisherigen Zuwachsraten könnten - wenn überhaupt - nur durch massive Investitionsprogramme aufrechterhalten werden, was das Verschuldungsproblem verschärfen und weitere Mittel in unproduktive Sektoren und Projekte fliessen lassen würde. Für die Zukunft relevant ist nicht so sehr die Höhe des Wirtschaftswachstums, sondern seine Qualität und Zusammensetzung. Die chinesische Wirtschaft baut ihren Investitionsüberhang ab und entwickelt sich hin zu einem konsumgetriebenen und nachhaltigen Wachstumsmodell. Diese Umstrukturierung der Wirtschaft (Rebalancing) findet schon seit mehreren Jahren statt, und der Konsum ist heute für mehr als die Hälfte des Wirtschaftswachstums verantwortlich. Vielleicht verläuft das Rebalancing langsamer als erwartet, aber es ist im Gange.
Aufwertung in der Produktion…
Es ist recht einfach, einen pessimistischen Ausblick auf China zu haben. Die Wirtschaft ist oft intransparent, kaum jemand traut den offiziellen Statistiken, das Wachstum geht zurück, und die Verschuldung steigt. Zudem schlittert die verarbeitende Industrie in eine Rezession, wenn sie es nicht schon ist. Doch nur diese negativen Schlagzeilen zu berücksichtigen, greift zu kurz: Nicht nur der Konsum gewinnt immer mehr an Bedeutung, sondern auch auf der Produktionsseite hat das Land bereits eine wichtige Transformation durchlaufen.
Chinas wichtigste Wirtschaftskraft sind nicht mehr Industrie und Bau (Sekundärsektor) sondern Dienstleistungen (Tertiärsektor). Heute ist er bereits für mehr als 50 Prozent der chinesischen Wirtschaftsleistung verantwortlich. Zum Dienstleistungssektor gehören Branchen wie Hotellerie und Gastgewerbe, die Unterhaltungsindustrie, IT, Medien, Gesundheitswesen, Banken und Finanzdienstleistungen, Beratungs- und Rechtswesen, Ausbildung sowie der Einzelhandel. Der Onlinehandel und Onlinezahlungen boomen, die Passagierzahlen im Luftverkehr explodieren geradezu, und es werden immer mehr Autos gekauft. Das sind die Wachstumstreiber des «neuen Chinas» - und in diesen Sektoren gibt es vielversprechende Investitionsmöglichkeiten.
Statt billiger T-Shirts und Spielsachen produziert China heute immer mehr technologisch hochwertige Produkte, die auch eine höhere Wertschöpfung beinhalten. Das chinesische Telekommunikationsunternehmen Huawei zum Beispiel fällt nicht nur durch kompetitive Smartphones und Tablets auf, sondern beliefert 170 Länder weltweit mit Infrastrukturlösungen für den Telekom-Bereich. Hersteller von Elektroautos und Anbieter von Batterietechnologien sind dabei, die ausländische Konkurrenz abzuhängen. Hochgeschwindigkeitszüge und Atomkraftwerke gehören zu den wichtigen Exportgütern Chinas.
…und im Arbeitsmarkt
Das Aufwertung der chinesischen Wirtschaft zeigt sich auch im Arbeitsmarkt. Viele Millionen Arbeitsplätze verlagern sich jedes Jahr von Industrie und Bau in den Dienstleistungssektor, was sich in der letzten Dekade in einem zweistelligen prozentualen Lohnwachstum niederschlug - mit entsprechend positiven Effekten für den Konsum. Im rasch wachsenden Dienstleistungssektor werden die meisten neuen Arbeitsstellen geschaffen, und jüngere und gut ausgebildete Arbeiter ziehen häufig eine Stelle im Dienstleistungssektor einer harten manuellen Arbeit vor.
Diese Verlagerung der Arbeitsplätze weg von der Produktion von Billiggütern hin zum Gesundheitswesen, dem Unterhaltungssektor und der Finanzindustrie ist das deutlichste Zeichen für die Aufwertung der chinesische Wirtschaft - von der Fabrik ins Büro.
Matthew Sutherland: Head of Product Management Asia, Fidelity International
Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schliesst jegliche Regressansprüche aus.
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