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Grosse Zustimmung 19.10.2025 21:18:00

Deutscher Bundeskanzler Merz will Europa-Stock-Exchange gegen Abwanderung an US-Börsen

Deutscher Bundeskanzler Merz will Europa-Stock-Exchange gegen Abwanderung an US-Börsen

Obwohl Europa erfolgreiche Unternehmen hervorbringt, entscheiden sich viele für einen Börsengang in den USA. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) will dies ändern.

BionTech, Birkenstock, Klarna: Europa bringt viele erfolgreiche Unternehmen hervor, doch oft gehen sie in den USA an die Börse. Friedrich Merz (CDU) will das ändern und fordert eine gemeinsame europäische Börse. Experten stimmen dem Bundeskanzler zu. Doch für die Umsetzung der Idee bestehen grosse Hürden, nicht zuletzt wegen einzelstaatlicher Interessen.

"Der Vorschlag von Herrn Merz ist der Königsweg für Europa", sagt Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer des Anlegerschutzvereins DSW. Eine zentrale europäische Börse, für die sich Frankfurt anbiete, würde Liquidität bündeln. "Dem stehen aber nationale Interessen entgegen, da alle Länder ihre eigene Börse haben wollen."

Mehr als 500 Handelsplätze in der EU

Auch die Deutsche Börse begrüsste den Vorstoss von Merz. "Mit über 500 Handelsplätzen hat die EU nicht nur den fragmentiertesten Markt geschaffen, sondern auch den intransparentesten, mit nur rund 30 Prozent des Aktienhandels an transparenten Börsen", erklärte der Dax -Konzern. Die Stärkung der Kapitalmärkte sei nötig, um wichtige gesellschaftliche Herausforderungen zu bewältigen, etwa bei der Unternehmensfinanzierung oder der Altersvorsorge.

Merz hatte am Donnerstag im Bundestag gefordert, die Kraft des europäischen Binnenmarkts besser auszuschöpfen. Die Unternehmen benötigten einen ausreichend breiten und tiefen europäischen Kapitalmarkt, um sich besser und schneller finanzieren können, sagte er vor dem EU-Gipfel kommende Woche.

"European Stock Exchange"

"Wir brauchen eine Art European Stock Exchange, damit erfolgreiche Unternehmen wie zum Beispiel Biontech aus Deutschland nicht an die New Yorker Börse gehen müssen", sagte Merz. Vom SPD-Vizekanzler und Finanzminister Lars Klingbeil kommt "volle Unterstützung". Das sei ein sinnvoller Schritt, wenn es darum gehe, das Zusammenwachsen der europäischen Kapitalmärkte voranzubringen, sagte er am Rande der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank in Washington.

Der Mainzer Impfstoffentwickler Biontech, bekanntgeworden in der Corona-Pandemie, ging 2019 an die amerikanische Technologiebörse Nasdaq. Kein Einzelfall: Auch der schwedische Bezahldienst Klarna und der Sandalenhersteller Birkenstock entschieden sich zum Börsengang für die Wall Street. In den USA gibt es starke Börsen, grosse Investoren und viel Wagniskapital für junge Unternehmen, während der Finanzmarkt in Europa zersplittert ist. "Die EU-Kapitalmärkte fallen zurück", warnte der Finanzmarktverband AFME in Europa schon vor Monaten in Brüssel.

Gescheiterte Börsenfusionen

In Europa gab es zwar schon erfolgreiche Anläufe, Börsenplätze zusammenzuführen. So entstand die Börse Euronext , zu der die Börsen in Paris, Amsterdam, Brüssel, Dublin, Lissabon, Mailand und Oslo gehören.

Die Deutsche Börse scheiterte dagegen vor Jahren wiederholt an einer Fusion mit der Londoner Börse LSE. Sie sieht sich selbst "als grösster paneuropäischer und als globaler Akteur", wie sie mitteilte. "Wir sind uns unserer besonderen Rolle und Verantwortung für die europäischen Kapitalmärkte bewusst und haben auch in der Vergangenheit stets europäisch gedacht. Dabei wurde unser Spielraum jedoch wiederholt durch die Rahmenbedingungen eingegrenzt."

EU hat auch Kleinanleger im Blick

In Brüssel wird seit Jahren um einen gemeinsamen europäischen Kapitalmarkt gerungen, mit dem bürokratische Hürden zwischen den EU-Staaten fallen sollen. Die EU will, dass mehr Kleinanleger an den Finanzmärkten investieren, damit mehr Geld etwa für Infrastruktur, Digitalisierung und Umweltschutz zur Verfügung steht. Unternehmen sollen sich leichter Geld beschaffen können. Doch die Umsetzung des Projekts stockt.

Ein Hauptstreitpunkt ist bislang eine zentrale Aufsicht über die Kapitalmärkte in der EU. So will etwa Frankreich eine stärkere Rolle der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) mit Sitz in Paris. Während aus Berlin dazu bislang eher Ablehnung kam, scheint man nun offener. Deutschland werde sich für die sogenannte Kapitalmarktunion genauso wie andere Länder bewegen müssen, sagte Klingbeil in Washington.

"Den Ideen müssen Taten folgen"

Ob eine europäische Börse ein Abwandern von Firmen in die USA verhindern würde, ist fraglich. Entscheidend für Europa sei es, mehr ungenutztes Kapital zu aktivieren, meint DSW-Hauptgeschäftsführer Tüngler. "Warum gehen die Unternehmen in den USA an die Börse? Weil dort mehr Kapital liegt und mehr Investoren vorhanden sind."

In Europa liegen der EZB zufolge geschätzt rund 11,5 Billionen Euro auf den Sparkonten der Bürger. "Dieses Geld verliert an Wert, da die Rendite abzüglich Inflation negativ ist", sagt Tüngler. Würden nur Teile davon in die Kapitalmärkte fliessen, ergäben sich gewaltige Summen. "Nur: Das Lenken von Ersparnissen an die Kapitalmärkte funktioniert schon in Deutschland nicht." Die Idee von Merz sei gut, sagt Tüngler. "Nun müssen Taten folgen."

/als/DP/zb

FRANKFURT (awp international)

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