| Expertenkolumne | 
03.11.2025 12:02:56
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Kapital oder Rente - eine Entscheidung mit weitreichenden Folgen
						Der Übertritt in den Ruhestand bringt nicht nur einen neuen Lebensabschnitt, sondern auch eine folgenreiche Entscheidung: Rente, Kapital oder Mischform? Nullzinsen, volatile Märkte, Inflation und Steuern machen die Wahl komplex.
Über Jahrzehnte hinweg galt die Zinslage als zentrale Entscheidungsgrundlage: Hohe Zinsen machten den Kapitalbezug attraktiv, da sich mit sicheren Anlagen regelmässige Erträge erzielen liessen - in Phasen niedriger Zinsen hingegen bot die garantierte Rente mehr Sicherheit. Doch diese einfache Logik trägt heute kaum noch. Frankenobligationen hoher Bonität werfen kaum Ertrag ab, gleichzeitig erschweren anhaltende Inflation, Staatsverschuldung und geopolitische Unsicherheiten die Planung. Hinzu kommt die demografische Entwicklung: Die steigende Lebenserwartung führt dazu, dass das Vorsorgevermögen länger reichen muss - sowohl bei Pensionskassen als auch für jede einzelne Person.
Was die Versicherten denken
Gemäss der diesjährigen, bevölkerungsrepräsentativen Pensionskassenstudie von AXA IM bleibt die Rente die bevorzugte Auszahlungsform. Knapp die Hälfte der Befragten würde sich heute für eine monatliche Rente entscheiden, rund ein Drittel für eine Mischlösung aus Rente und Kapital, während nur eine Minderheit den reinen Kapitalbezug wählte. Die effektiven Zahlen zeigen jedoch ein anders Bild: Im Jahr 2023 entschieden sich nach Angaben des Bundesamts für Statistik 41 Prozent für die Kapitaloption, 40 Prozent für die Rente und nur 19 Prozent für eine Mischform.
Wer sich für Kapital entscheidet, plant in erster Linie die Deckung konkreter Ausgaben: am häufigsten für laufende Lebenshaltungskosten, daneben für Anlagen, Wohneigentum oder Gesundheits- und Pflegekosten im Alter. Nur wenige würden die Mittel für einen vorzeitigen Ruhestand einsetzen. Damit wird deutlich, dass Kapitalbezüge vor allem der Absicherung dienen und nicht der spekulativen Anlage. Die Ergebnisse zeigen zugleich, dass viele Versicherte eine Balance zwischen Sicherheit und Flexibilität suchen - ein Spannungsfeld, das die Wahl zwischen Rente und Kapital prägt.
Sicherheit oder Flexibilität?
Die lebenslange Rente überzeugt durch Sicherheit: Sie garantiert ein planbares Einkommen und schützt vor dem Risiko, länger zu leben als das eigene Vermögen reicht. Sie ist besonders dann attraktiv, wenn der Umwandlungssatz einer Pensionskasse vergleichsweise hoch ist. Allerdings geht mit der Rente die Flexibilität verloren: Für grössere Ausgaben steht kein Kapital zur Verfügung, und nach dem Tod erlischt der Anspruch.
Der Kapitalbezug bietet dagegen Freiheit. Das Vermögen kann individuell angelegt oder flexibel eingesetzt werden, etwa für Wohneigentum oder unerwartete Gesundheitskosten. Es bleibt im Besitz der Versicherten und kann an die nächste Generation weitergegeben werden. Dem stehen jedoch erhebliche Risiken gegenüber: Wer zu konservativ investiert, verliert langfristig an Kaufkraft; wer zu offensiv anlegt, läuft Gefahr, in Krisenzeiten grosse Verluste zu erleiden. Zudem verlangt die Verwaltung des Kapitals Eigenverantwortung, Disziplin, Wissen und Zeit - Eigenschaften, die nicht jeder mitbringt oder im Alter aufbringen möchte.
Besteuerungsfrage als zusätzlicher Risikofaktor
Zu den finanziellen Überlegungen zählen auch steuerliche Aspekte. Aktuell diskutiert der Bundesrat eine Angleichung der Besteuerung von Kapital- und Rentenbezug - ein Vorhaben, das in der Bevölkerung auf deutliche Skepsis stösst. Laut Pensionskassenstudie lehnen 57 Prozent der Schweizer Bevölkerung eine solche Reform ab (vgl. Grafik). Die Gegner verweisen auf die bereits hohe Steuerlast sowie darauf, dass Kapitalbeziehende das Risiko selbst tragen und deshalb steuerlich entlastet bleiben sollten. Befürworter argumentieren hingegen mit Gleichbehandlung und zusätzlichen Einnahmen für die Sozialwerke. Für die Versicherten bedeutet diese Debatte vor allem eines: zusätzliche Unsicherheit in der Planung.
Die persönlichen Faktoren
Ob Rente, Kapital oder eine Mischform die beste Wahl ist, hängt von den persönlichen Verhältnissen und Bedürfnissen ab - eine Standardlösung gibt es nicht. Wer in stabiler Gesundheit lebt und mit einer langen Lebensdauer rechnet, profitiert eher von der sicheren Rente. Für Menschen mit familiären Verpflichtungen oder dem Wunsch, Vermögen zu vererben, kann ein Kapitalbezug sinnvoll sein. Auch die Finanzkompetenz spielt eine entscheidende Rolle: Wer Anlageerfahrung und entsprechende Finanzkenntnisse hat, kann von der Flexibilität profitieren. Doch was, wenn der Partner oder die Partnerin nach dem Tod des Kapitalinhabers plötzlich die Verantwortung für das Vermögen trägt und damit überfordert wäre? In diesem Fall kann eine Teilrente Sicherheit bieten.
Die Entscheidung bleibt damit individuell und komplex. Sie verlangt fundiertes Wissen und sorgfältige Beratung, um die langfristigen Konsequenzen richtig einzuschätzen. Attraktiv kann eine Mischform sein - sie verbindet die Sicherheit der Rente mit der Flexibilität des Kapitalbezugs, setzt allerdings ein genug grosses Kapitalpolster voraus.
Autor: Dr. Werner E. Rutsch, Mitglied der Geschäftsleitung von AXA Investment Managers Alts Schweiz
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