Börsenausblick |
03.08.2015 06:45:00
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«Zinsen in den USA steigen schneller als angenommen»
Was erwartet Anleger diese Woche, wo bieten sich Chancen und wo Risiken? Jeden Montag gibt an dieser Stelle ein anderer Experte eine Einschätzung über die aktuelle Börsenwoche - heute William Hobbs von der Bank Barclays.
Welche Einflüsse der Vorwoche wirken an der Börse nach?
William Hobbs*: Der seit Jahrzehnten tiefste Stand bei den Anträgen auf Arbeitslosenunterstützung in den USA ist wesentlich für die Einschätzung, wie sich die US-Beschäftigungslage entwickeln wird. Diese wiederum prägt die Vorstellung davon, wie der mögliche Zinsanstieg in den USA in den nächsten Jahren erfolgen wird. Ich gehe immer noch davon aus, dass sich das weltweite Wachstum in der zweiten Jahreshälfte beschleunigen wird, was vor allem auf einen kräftigen US-Privatsektor zurückzuführen ist.
Welche Ereignisse werden die Woche prägen?
Nach einer eher ruhigen Woche folgen in den kommenden Tagen wichtige Kennzahlen. Das Augenmerk werde ich besonders auf den deutschen Geschäftsklimaindex IFO richten. Wie der US-amerikanische ISM-Index für das verarbeitende Gewerbe bewährt sich auch der IFO seit Jahrzehnten als verlässlicher Frühindikator der konjunkturellen Entwicklung. Die für diesen Monat erhobenen Daten dürften, wie die aktuellen PMI-Daten für Europa, rückläufig sein - entsprechend der in letzter Zeit zunehmenden Furcht vor einem Austritt Griechenlands aus der Eurozone. Die Anleger sollten auch Daten zu Geldmengenaggregaten in der Eurozone berücksichtigen, denn sie haben sich als gute Frühindikatoren des Wirtschaftsvertrauens und des Bruttoinlandprodukts erwiesen. Der beinahe wichtigste Indikator ist der vierteljährliche US-Arbeitskostenindex, der Ende Woche veröffentlicht wird. Aufgrund steigender US-Gehälter gehen ich davon aus, dass die Zinssätze etwas schneller ansteigen werden, als es die Entscheidungsträger zurzeit annehmen.
Wie wird sich die Schweizer Börse kurzfristig entwickeln?
Ich erwarte in den nächsten Monaten weltweit volatilere Aktienmärkte, da die Inflationserwartungen sinken und höhere Löhne in den USA und in Grossbritannien eine Neubewertung der Zinsentwicklung in beiden Volkswirtschaften nötig machen. Dies wird sich auch auf den Schweizer Aktienmarkt auswirken. Dabei wird von Interesse sein, wie sich der US-Dollar relativ gegenüber dem Schweizer Franken verhält. Es scheint, als sei die geldpolitische Normalisierung langsam eingepreist und es wird sich zeigen, was das für Schweizer Unternehmen mit Dollar-Exposure, insbesondere für Pharma-Titel, bedeutet.
Welche Schweizer Unternehmen/Branchen stehen in nächster Zeit besonders im Fokus?
Der Pharma-Sektor ist weiterhin interessant. Dies vor allem, weil die von den Anleihenmärkten enttäuschten Anleger in den kommenden Quartalen in die Aktienmärkte umschichten werden. Auch Bankentitel könnten attraktiv sein, da sich das Kreditgeschäft in ganz Europa weiter verbessert und auch eine etwas höhere Volatilität der Kapitalmärkte gewisse Segmente unterstützen dürfte.
Ihr Ratschlag für Anleger - wo bieten sich Chancen?
Chancen bieten zurzeit Aktien aus Kontinentaleuropa und den USA. Ich bevorzuge nach wie vor die erstere Region, da sie die besten relativen Ertragsaussichten verspricht. Wie bereits erwähnt sind für mich Banken und Pharma weiterhin zwei interessante Sektoren. Falls die Volatilität an den Aktienmärkten zunimmt, bieten sich hier allenfalls vielversprechende Chancen um Positionen aufzustocken.
Wo sehen Sie Risiken?
Griechenland ist weiterhin ein deutliches Risiko, da sich in der derzeitigen Regierung die Risse erweitern. Vorzeitige Neuwahlen oder ein Kollaps der aktuellen Regierung sind nach wie vor nicht auszuschliessen. Weiter erachte ich das zweite Minsker Abkommen als gefährdet und wäre nicht überrascht, wenn es in der Region zu einem erneuten offenen Konflikt käme. Dies könnte das Wirtschaftsvertrauen in Europa schnell erschüttern, wie es Mitte des letzten Jahres geschah. Aus wirtschaftlicher Sicht glaube ich, dass die Inflationsaussichten in den Industriestaaten etwas unterschätzt werden. Deshalb gehe ich weltweit von steigenden Ertragskurven aus. Dies könnte sich auf andere Kapitalmarktbereiche negativ auswirken. Da die Zinsspannen zwischen Deutschen und Schweizer Staatsanleihen nun beinahe Rekordhöhe erreicht haben, gibt es grossen Spielraum, dass sich die Renditen der Schweizer Staatsanleihen auf der Zinskurve nach oben bewegen könnten.
Wie schätzen Sie die Entwicklung an der Schweizer Börse über die nächsten 12 Monate ein?
Die Schweizer Börse weist weiterhin ein hohes Kurs-Gewinn-Verhältnis aus, wie auch die übrigen Aktienmärkte der Industriestaaten. Da der Schweizer Aktienmarkt gegenüber dem US-Aktienmarkt nun mit einer leichten Prämie und nicht mehr mit seinem traditionellen Abschlag notiert, ist der Raum für eine weitere höhere Bewertung sicher begrenzt. Weil in den USA die erste Zinserhöhung bevorsteht, könnte sich das hohe Kurs-Gewinn-Verhältnis in gewissen Titeln nun verringern. Anleger sind also in den nächsten 12 Monaten auf Ertragswachstum und Dividendenerträge angewiesen, da die Renditen deutlich niedriger ausfallen dürften als in den letzten Jahren, jedoch immer noch viel höher als am Anleihenmarkt.
William Hobbs ist Head of Investment Strategy UK and Europe bei der Barclays Bank. Er hat mehr als zehn Jahre Erfahrung im Finanzsektor und arbeitet seit Oktober 2005 für Barclays, wo er zu Beginn im Equity Research Team den globalen Konsum-Sektor abdeckte.
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