Expertenkolumne |
04.09.2025 12:38:33
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Wie die Schweiz vom Forschungsriesen zum Venture-Champion werden kann

Die Schweiz glänzt in Forschung und Innovation und hat das Potenzial, auch im Risikokapital zur Weltspitze aufzuschliessen. Entscheidend dafür ist ein stärkeres Engagement heimischer Investoren.
Offenheit für globale Talente und wissenschaftliche Kooperationen sowie prägende Institutionen wie die ETH Zürich und die EPFL stärken dieses Ökosystem zusätzlich. Diese Rahmenbedingungen machen die Schweiz zu einem attraktiven Standort für Forschung und Innovation - vergleichbar mit den führenden Regionen in Grossbritannien, Deutschland und Frankreich.
Doch trotz dieser Erfolgsgeschichte offenbart der internationale Vergleich Schwächen, vor allem beim Zugang zu Risikokapital. Besonders aufschlussreich ist der Blick nach Massachusetts. Der US-Bundesstaat gilt mit seiner Hauptstadt Boston als eines der dynamischsten Innovationszentren der Welt. In vielerlei Hinsicht ähnelt er der Schweiz: hochqualifizierte Bevölkerung, starke Wirtschaft, renommierte Universitäten. Der Unterschied zeigt sich jedoch in den Zahlen: Massachusetts zieht mehr als das Achtfache an Wagniskapital an und hat seit 2018 sechsmal so viele «Unicorns» hervorgebracht.
Ein wesentlicher Grund liegt in der Rolle lokaler Investoren. Während 85 Prozent der grössten Finanzierungsrunden in Massachusetts von heimischen Geldgebern mitgetragen werden, sind es in der Schweiz lediglich 40 Prozent. Das macht Schweizer Scale-ups stärker abhängig von ausländischem Kapital - ein Vorteil in puncto Internationalisierung, aber auch ein Hinweis auf strukturelle Lücken im heimischen Venture-Ökosystem.
Die Studie von Schroders Capital zeigt: Würde die Schweiz dieses Ökosystem gezielt ausbauen, könnte das jährliche Volumen an Risikokapitalfinanzierungen von derzeit rund 2,4 Milliarden Franken auf bis zu 11 Milliarden Franken anwachsen.
Zurückhaltend im Wagniskapital
Trotz aller Stärken bleibt der Venture-Capital-Sektor noch hinter dem Innovationspotenzial zurück. Im Vergleich etwa mit Massachusetts, dem «Biotech-Herz» der USA, zeigt sich eine erhebliche Lücke: Während Massachusetts 2024 Risikokapital in Höhe von rund 6,9 Milliarden Franken mobilisierte, lag die Schweiz mit 2,4 Milliarden Franken deutlich dahinter. Pro Einwohner investieren Start-ups in Massachusetts im Schnitt rund 1’115 Dollar, in der Schweiz hingegen etwa 270 Franken. Das entspricht einer fast viermal geringeren Risikokapitalintensität.
Diese Differenz spiegelt sich auch in den «Unicorns» wider: Zwischen 2018 und 2025 entstanden in der Schweiz zehn Start-ups mit Milliardenbewertung, während in Massachusetts 64 «Unicorns» gezählt wurden.
Ein wesentlicher Grund ist das schwächer ausgeprägte lokale Venture-Capital-Ökosystem in der Schweiz. In Massachusetts stellten 2024 lokale Akteure bei 85% der grössten Finanzierungsrunden das Kapital; in der Schweiz lag dieser Anteil lediglich bei 40%. Studien zufolge vervielfacht ein starker inländischer Investorenkreis das total mobilisierte Risikokapital: Historisch gesehen flossen in der Schweiz auf jeden lokal eingesammelten Franken rund 3,2 zusätzliche Franken aus dem Ausland in den Markt. Das zeigt, wie entscheidend eine starke einheimische Risikokapital-Basis ist, um internationales Kapital anzuziehen.
Abbildung: Eingesetztes Venture Capital vs. gesammelte Fonds in der Schweiz
Zudem bringt der Mangel an Schweizer VC-Kapital praktische Nachteile. Wer auf ausländische Investoren angewiesen ist, muss häufig aufwändig in internationalen Finanzzentren pitchen, juristische Strukturen anpassen und zeitintensive Reisen in Kauf nehmen - alles Faktoren, die das Wachstum lokaler Start-ups bremsen.
Ein Blick auf den Benchmark Massachusetts zeigt, dass die jährlichen Venture-Finanzierungen in der Schweiz theoretisch auf 11 Milliarden Franken steigen könnten - das Vierfache des heutigen Niveaus. Im Pro-Kopf-Vergleich entspräche dies etwa 1’500 Franken pro Einwohner und wäre mit der aktuellen F&E-Ausgabenstruktur kompatibel, die bereits etwa 43% des US-Benchmarks erreicht.
Der Weg zum globalen Venture-Hub
Schweizer Exzellenz bei Grundlagenforschung und Innovation ist längst global anerkannt. Ein strukturierter Ausbau des lokalen Venture-Kapitals wäre der nächste logische Schritt, um das Innovationspotenzial voll auszuschöpfen und die Schweiz als führenden Venture-Hub Europas zu etablieren. Mehr inländisches Kapital würde ausländische Investitionen anziehen, mehr Risikobereitschaft ermöglichen und so die Transformation von Forschungsergebnissen in erfolgreiche, international skalierende Unternehmen katalysieren.
Ein gestärkter Venture-Markt wirkt als Hebel für zusätzliche Investitionen in Forschung und Entwicklung - und damit als Motor für künftige Innovationen und Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz.
Über den Autor:
Dr. Nils Rode ist Chief Investment Officer bei Schroders Capital. Er kam 2005 zur Schroders Gruppe und ist in Zürich ansässig. Nils war von 2010 bis 2021 Chief Investment Officer / Co-Chief Investment Officer bei Schroder Adveq. Bevor er zu Schroders Capital kam, war Nils von 2003 bis 2005 Vizepräsident von Sky Online und von 1995 bis 2002 Unternehmensberater bei McKinsey & Co in Deutschland. Nils ist ausserdem Autor eines Buches über das strategische Management von wissensbasierten Unternehmen und hat einen MBA von ESCP Europe in Paris, Oxford und Berlin, einen Doktortitel in Wirtschaftswissenschaften von der Leuphana Universität Lüneburg, Deutschland, und ein Spezialisierungszertifikat in Datenwissenschaft von der Johns-Hopkins-Universität und Coursera.
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