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Unsichtbare Branche 08.06.2020 23:08:00

Einfluss auf die Wirtschaftsleistung? Was der niedrige Ölpreis für die Schweiz bedeutet

Einfluss auf die Wirtschaftsleistung? Was der niedrige Ölpreis für die Schweiz bedeutet

Der Ölmarkt wurde von Turbulenzen in Folge der Corona-Krise heftig durchgerüttelt - das schlägt sich in den Ölpreisen nieder. Wie sich das auf die Schweizer Wirtschaft auswirkt, obwohl es hier keiner Ölfelder & Co. gibt.

WTI
70.43 USD -2.45%
• Transitgeschäfte: Schweiz als Weltmacht im Rohstoffhandel
• Rohstoffpreise leiden unter Pandemie
• Gesunkener Ölpreis bewegt Wirtschaftsleistung

Im April schockte eine Corona-bedingte Entwicklung die Rohstoffmärkte: der Erdölpreis rutschte an einer Terminbörse ins Negative. Zwar war das nur ein kurzweiliger Rutsch auf ein Krisentief, jedoch ist die Erholung noch lange nicht soweit, um den Ölpreis auf Vorkrisenniveau ansteigen zu lassen.

Welche Rolle der Rohstoffhandel in der Schweiz einnimmt

Im ersten Moment könnte die Frage aufgeworfen werde, inwiefern der unter die Räder geratene Ölpreis Auswirkungen in der Schweiz nehmen könnte - schliesslich zählt die Heimat nicht zu den Petro-Staaten, kein Ölförderer ist hierzulande aktiv. Dennoch ist davon auszugehen, dass sich die Preisschwankungen, die sich durch eine Reihe von Rohstoffen ziehen, in der Leistungsbilanz der Schweiz niederschlagen wird. Die SNB schrieb in der Medienmitteilung zur Zahlungsbilanz im Jahr 2019: "Im Warenhandel stieg der Einnahmenüberschuss um 7 Mrd. auf 66 Mrd. Franken. Dies war vor allem auf höhere Warenexporte gemäss Aussenhandelsstatistik zurückzuführen."

Treiber der Leistungsbilanz: Transithandel in der Schweiz

Hintergrund ist der Transithandel. Dieser Art von Geschäft beschreibt eine Art Durchfuhrhandel: Inländer importieren Güter und Waren, um sie in andere Länder zu exportieren - es kommen also sowohl Ein- als auch Ausfuhren vor. Es handelt sich um ein Dreiecksgeschäft, bei dem in dem hiesigen Fall die Schweiz als Zwischenstation gesehen werden kann, jedoch ohne Lagerung oder Veränderung bzw. Verarbeitung der Waren. Die Güter überschreiten häufig nicht einmal die Grenzen der Schweiz, lediglich der Sitz mancher Unternehmen, die diese Handelsgeschäft betreiben, befinden sich im Inland. Eine besondere Rolle nimmt hier der Rohstoffhandel auf internationaler Ebene ein. Denn die Schweiz ist ein wichtiger Akteur im Handel mit Rohstoffen wie Erdgas, Kaffee, Aluminium und eben auch Öl.
In den vergangenen Jahren hat sich der Transithandel als große Komponente der Schweizer Leistungsbilanz gemausert. Hinsichtlich der Einnahmen toppte der Transithandel im Jahr 2019 sogar den Anteil des Güterhandels und den der Dienstleistungen: Insgesamt generierte diese Branche mehr als 37 Milliarden Franken. Während vor den 1990er Jahren der Überschuss in der Leistungsbilanz mehrheitlich durch den Handel mit Dienstleistungen angeschoben wurde, dominiert inzwischen der Transithandel.

Ölpreis und -Nachfrage unter Druck

Während WTI derzeit bei um die 39 US-Dollar pendelt und seit Jahresbeginn im Minus steht, bewegt sich Brent aktuell bei etwa 42 US-Dollar pro Barrel und damit ebenfalls unterhalb seines Neujahresniveaus. Da auch die Aussenhandelsströme in das Bruttoinslandsprodukt miteinberechnet werden und Energiegüter wie Rohöl, Kerosin & Co. die Schweizer Wertschöpfungskette dominieren, wie Neue Zürcher Zeitung (NZZ) verlautet, ist zu erwarten, dass der Rückgang der Ölpreise und der gesunkenen Nachfrage auf Branchenteilnehmer mit Sitz in der Schweiz Einfluss nehmen wird.

Doch keine negativen Auswirkungen durch Ölpreisrückgang?

Unternehmen wie Glencore, Trafigura, Vitol und einige mehr bedienen rund ein Fünftel der globalen Erdölnachfrage, berichtet NZZ. In Anbetracht der deutlich gesunkenen Ölpreise und der eher unsicheren Prognosen, die die Entwicklung der Nachfrage betreffen, ist zwar von Auswirkungen auf die Schweizer Händler auszugehen, jedoch ist der tatsächliche Effekt unklar. Denn an den Schwankungen bei den Preisen können insbesondere die Erdölhändler verdienen.

Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass der Ölpreiseinbruch des Jahres 2014 die Unternehmen nicht massiv getroffen hat, wie zunächst zu erwarten gewesen wäre. Zumindest sei das dem Einnahmeverlauf des Transitgeschäfts zu entnehmen, heisst es bei NZZ. Stattdessen hätten Händler von volatilen Marktphasen profitiert - das Preisniveau sei kein wichtiger Indikator, da Angebots- und Nachfrageunterschiede, gleichermassen Preisdifferenzen ausgenutzt würden. Unter anderem fände das sogenannte Contango-Geschäft aufgrund der niedrigen Preise Anhänger, bei dem günstig gekauftes Öl am Terminmarkt direkt teurer mit einem Termin in der Zukunft weiterverkauft wird - der Händler muss nur die Lagerung des schwarzen Goldes gewährleisten.

Solche Vorgehensweisen machen den Handel mit Rohstoffen weniger abhängig von Preisen und Konjunktur. Für die Schweizer Wirtschaft könnte das ausgleichend wirken. Die KOF schrieb in ihrer Konjunkturanalyse 2020/2021 hinsichtlich der erwarteten Schwankungen bei den Erdölpreisen: "Für den Transithandel jedoch, der mittlerweile rund 5% der schweizerischen Wertschöpfung generiert, sind das gute Nachrichten."

Redaktion finanzen.ch

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